Tradition heißt nicht, Asche aufzubewahren, sondern die Flamme am Brennen zu halten.
Tradition heißt nicht, Asche aufzubewahren, sondern die Flamme am Brennen zu halten.

“An der Front” – Berichte unserer Schützenkompanien

erstes bildDie drei Tiroler Schützenbünde haben an diesem Wochenende das Gedenkprojekt „An der Front 1915-2015“ zum Abschluss gebracht. Die am 18. April 2015 in einer feierlichen Zeremonie am Waltherplatz gesegneten Gedenkkreuze wurden an den dafür vorgesehenen Punkten angebracht.

Das Ziel dieses Gedenkprojekt ist es, den Vorläufern der heutigen Schützenkompanien, den Tiroler Standschützen, würdig zu gedenken, die vor 100 Jahren ihre Heimat Tirol gegen den Angriff des Königreiches Italien verteidigten. An allen Gedenkpunkten im ehemaligen Einsatzraum der Tiroler Standschützen im Ersten Weltkrieges fanden daher Veranstaltungen statt: Feldmessen, Gedenkakte, Gedenkwanderungen.

Hier einige Berichte unserer Kompanien:

SK Eggen und SK Tiers:                                                                                      Heldengedenken “An der Front” am Colbricon Pass mit den Schützenkompanien von Eggen, Tiers, Primör, Tessin und Aldrans… (Fotos: https://plus.google.com/photos/113086105312625679679/albums/6181382827072634065?authkey=CO-A05nEm8Xw3wE )

SK Bozen und SK Sarntal:                                                                                                  Endlich war es soweit, dass nach der langen gemeinsamen Vorarbeit die große Einweihungsfeier des Kreuzes in Gedenken an unsere Standschützen 1915-1918 stattfinden konnte. Alle 4 Kompanien, die SK Val de Leder, die SK Bozen, die SK Sarntal und die SK Alter Schießstand Innsbruck O-Dorf, waren mit Fahne, Offizieren und Gewehrschützen anwesend. Die Messfeier wurde von Pater Reinald Romaner, Mitglied der SK Bozen, gestaltet. Nach dem Evangelium und nach der Kranzniederlegung folgten jeweils eine Ehrensalve aus der von allen vier Kompanien bestehenden Ehrenformation. Die
Bozenhistorische Bataillonsfahne der SK Bozen, die vor 100 Jahren schon dort war, stand bei der Ehrenformation. Den Grußworten der 4 Hauptmänner folgten auch die Grußworte der drei anwesenden Bürgermeister von Val de Leder Renato Girardi, Sarntal Franz Locher und Bozen. Der Bozner Bürgermeister Luigi Spagnolli stammt aus dem Ledrotal und war bei dieser Feier sozusagen zu Hause. 
Nachdem das Gedenkkreuz über einen schmalen Pfad ca. 30 Minuten von der Feierstelle auf Bocca di Trat entfernt ist, konnten von den ca. 150 anwesenden Personen nur ein kleiner Teil sich dorthin begeben um den Kranz endgültig zu deponieren. Das Kreuz befindet sich oberhalb des historischen Unterstandes des kommandierenden Oberbefehlshabers im Bereich des Ledrotales/Gardasee, Ludwig Riccabona. Nach dem Festakt und Kranzdeponierung folgte ein gemütliches Beisammensein mit Mittagessen und Musik im nahen Schutzhaus Pernici. Die Sarner Böhmische sorgte für die musikalische Umrahmung. Einige Teilnehmer waren sehr müde als es am Abend wieder zurück nach Hause ging.

SK Deutschnofen, SK Welschnofen und SK Leifers:                                                  Deutschnofen Am 09.08.15 gedachten wir den Standschützen des ersten Weltkrieges, gemeinsam mit den denn Schützenkompanien aus dem Fleimstal, Welschnofen, Leifers, und Telfs. Es sind aber auch viele Freunde der verschieden Kompanien auf die Chetaalm oberhalb von Belamonte gekommen. Die Gedenkveranstaltung begann mit einer Frontabschreitung die die Bürgermeister bzw. die Vertreter der verschieden Gemeinden durchführten. Danach feierten wir gemeinsam eine Heilige Messe, anschließend wurde das Gedenkkreuz nochmals gesegnet. Nach der Messfeier hielt Ehrenhauptmann Erich Pichler und unser Bürgermeister Christian Gallmetzer eine kurze Rede. Der offizielle Teil der Veranstaltung endete mit dem abspielen der Tiroler Landeshymne.

SK Leifers:                                                                                                                                        Am Sonntag den 9. August fand in Cheta (Gemeinde Predazzo) eine Gedenkfeier zu Ehren der Standschützen statt, welche dort ab 1915 unser Land Tirol und das Kaiserreich LeifersÖsterreich-Ungarn verteidigt hatten. Bei der Feier nahmen die Schützenkompanien von Leifers, Deutschnofen, Welschnofen, die Schützenkompanie Fleimstal und eine Abordnung aus Telfs in Tirol teil. Nach der Heiligen Messe fand die Kranzniederlegung am neu aufgestellten Gedenkkreuz statt. Dabei schoss die Ehrenformation Leifers-Deutschnofen eine Ehrensalve. Anschließend besuchte die Schützenkompanie Leifers das “Fort Dosaggio”, welches sich auf einer Anhöhe in der Nähe befindet. Dort wurden die Stellungen besichtigt, an denen unsere Vorfahren tapfer gekämpft hatten. Die SK Leifers bedankt sich bei allen Teilnehmern für die gelungene Gedenkfeier, vor allem bei der Schützenkompanie Fleimstal für die Gastfreundschaft..

SK St. Ulrich, SK Wolkenstein, SK Völser Aicha:                                                        völser aichaIINach einem wunderbaren Tag mit herrlichem Wetter auf dem Pordoijoch hatte unsere Kompanie, zusammen mit den Kameraden der SK Wolkenstein, heute die große Freude Ehrenformation zum Gedenktag “An der Front” zu bilden. Vor 100 Jahren zogen Standschützen aus Gröden, Völser Aicha, Ampezzo und Nordtirol aus, um gegen den eindringenden Feind standhaft zur Wehr zu setzen. Lasst uns Ihr Opfer für die Heimat niemals vergessen!

Pressemitteilung der SK St. Ulrich: Die Gedenkkreuze wurden am 18. April 2015 am Waltherplatz in Bozen, im Rahmen einer Heiligen Messe, feierlich gesegnet. Schützen-Marketenderinnen aus ganz Tirol fungierten dabei als Patinnen. Am vergangenen Wochenende wurden nun landesweit – in Welsch- und Südtirol, als auch im Bundesland Tirol – die 75 Gedenkkreuze aufgestellt, die im Rahmen des Projektes “AN DER FRONT” an den Ersten Weltkrieg mahnen. Die über 50 Kilo schweren Gedenkkreuze wurden nun am 8. und 9. August 2015, in einer landesweiten Aktion, entlang der damaligen Frontlinie von rund 400 Kilometern – vom Stilfser Joch (höchster Punkt auf 3.434m) bis zum Hochspitz am Karnischen Kamm – aufgestellt. Der Samstag begann mit einem Wortgottesdienst in Buchenstein. Anschließend wurde durch die Schützenkompanie St. Ulrich gemeinsam mit der Schützenkompanie Wolkenstein, Völser Aicha und dem Nordtiroler Bataillon Wipptal-Eisenstecken, ein Gedenkkreuz an der Frontline des Porto Vescovo bei Buchenstein aufgestellt. Das Dorf Buchenstein stand im Zeichen der Tiroler Standschützen. Tiroler Fahnen wurden gehisst, kleine Informationsstände der jeweiligen Schützenkompanien wurden aufgestellt und ein Schützenfest verwandelte Buchenstein in ein “Schützendorf”. Unterhalb des Mausoleum am Pordoijoch fanden sich am Sonntag früh 15 Schützenkompanien und 6 Bataillone aus ganz Tirol ein. Unweit des Mausoleums wurde ein zweites Gedenkkreuz von den Schützen aufgestellt. Mit einem Aufmarsch zum Mausoleum begann die große Gedenkfeier mit einer Messfeier. Die Ehrenformation bildeten die Schützenkompanien von St. Ulrich und Wolkenstein. Das Kommando über die Ehrenformation erhielt Hauptmann Dietmar Insam von der Schützenkompanie Wolkenstein. Es wurden zwei Ehrensalven abgefeuert. Beim Gedenkkreuz am Pordoijoch wurde im Anschluss ein Heldengedenken mit Kranzniederlegung durchgeführt und kurz Inne gehalten um den Tiroler Standschützen zu gedenken. Nach der Gedenkfeier lud die Schützenkompanie Buchenstein zu einem kleinen Fest ein und versorgte die Kameraden mit Speis und Trank.

SK Kastelruth:     Kastelruth
Auf den Spuren der Tiroler Standschützen im Ersten Weltkrieg, mit Errichtung eines Kreuzes am “Selle Pass”entlang der Südfront, wo auch Kastelruther Schützen für die Verteidigung ihrer Heimat kämpften.

SK Andrian, SK Gries, SK Mölten, SK Jenesien, SK Afing und SK Terlan:                                                                                           Gedenkfeier auf der Malga Durer. (Fotos: https://www.flickr.com/photos/schuetzenbund/sets/72157656603143538/page1)Ortspfarrer Don Gabriele Bernardi und Landeskurat P. Christoph Waldner OT zelebrierten gemeinsam den zweisprachigen Gottesdienst, der von der Musikkapelle Folgaria und einer Welschtiroler Ehrenformation, unter dem Kommando vonHptm. Enzo Cestari, feierlich umrahmt wurde. In seiner Predigt ging Pfarrer Bernardi auf das unsägliche Leid der Soldaten und die Not und Trauer der Hinterbliebenen ein. Auch in Jenesienden Fürbitten die von Vertretern aus den drei Landesteilen vorgebracht wurden, stand die Bitte um Frieden und Gerechtigkeit im Vordergrund. Unter den 34 Fahnen, die sich beim Hochgebet und der Hl. Wandlung senkten, befanden sich auch einige originale Standschützenfahnen die  im Ersten Weltkrieg im Felde standen und bereits bei den damaligen Feldmessen  gesenkt worden sind. Im Anschluss an den Gedenkgottesdienst begrüßte der Welschtiroler Landeskommandant Mjr. Paolo Dalprá die Anwesenden aller Tiroler Schützenbünde, bevor Viertelkommandant Mjr. Hans Steiner an die Situation Tirols beim Kriegsausbruch vor 100 Jahren erinnerte und den Einsatz der Standschützen auf diesem ehemaligen Frontabschnitt würdigte. „Lachen kann von uns keiner mehr“ zitierte Steiner aus einem Brief, den ein Standschütze damals nach Hause schrieb. Dass neben den Standschützen auch freiwillige Verbände aus der ehemaligen Monarchie zur Verteidigung Tirols ausrückten, bezeugte die Anwesenheit einer Abordnung der freiwilligen Schützen von Oberösterreich. Gerhard Utz, Oberstleutnant des Traditionsvereins „k.k. Landwehrinfanterieregiments Linz Nr.2“, zeichnete kurz den Gefechtskalender der Oberösterreicher nach, die im Frühjahr 1916 auf die Hochfläche von Folgaria verlegt wurden. Auf die europäische und globale Dimensiondes Ersten Weltkrieges ging der Burggräfler Bezirksmajor Andreas Leiter Reber ein. 17 Mio Soldaten hätten im Ersten Weltkrieg den Tod gefunden und rund 20 Mio Menschen seien verletzt worden und für ihre Lebzeit körperlich und seelisch gezeichnet geblieben.Jenesien II

„Allein für Österreich-Ungarn standen 12 Volks- und Sprachgruppen unter derselben Flagge, hinzu seien das verbündete Deutsche Reich, das Königreich Bulgarien und das Osmanische Reich, wiederum samt ihren zahlreichen Minderheiten, zu zählen.“Trotz der Gnade des Friedens und des wirtschaftlichen Wohlstands in ganz Tirol, seien wir Tiroler Zeugen dafür, dass der Ausgang des Ersten Weltkriegs Tag für Tag unser Leben bestimme, so der Burggräfler Bezirksmajor, für welchen die Demokratie und die Meinungsfreiheit den größten Reichtum unserer Zeit darstellt: „Es liegt also an uns, und nicht am Ausgang des Krieges vor 100 Jahren und es liegt auch nicht zwingend an Italien oder an Österreich, ob und wie wir Tiroler unsere Gegenwart und unsere Zukunft gestalten.“ Im gemeinsamen Gebet und einer Ehrensalvewurde der gefallenen Standschützen gedacht und zu den Klängen des „Guten Kameraden“ legten die höchstanwesenden Schützen-offiziere einen Kranz beim neuen Standschützen-Gedenkkreuz nieder. Mit derTiroler Landeshymne und der Europahymneendete die gemeinsame Gedenkfeier. An der Feier nahmen auch der Nationalratsabgeordnete Dr. Werner Neubauer, der Bundesgeschäftsführer des WTSB Mjr. Federico Masera, die Südtiroler Bezirksmajore Lorenz Puff (Bozen), Rudolf Lanz (südl.Wipptal), der Bezirksobmann des Heimatpflegeverbandes Burggrafenamt Georg Hörwarter und zahlreiche Baons-kommandanten und Ehrenoffiziere aus ganz Tirol teil.
Im Anschluss an die gemeinsame Gedenkfeier begaben sich die Kompanien zu den weiteren 10 Stahlkreuzen, die im diesjährigen Gedenkjahr auf der Hochfläche von Folgaria errichtet worden sind. Im Rahmen einer kleinen Andacht wurden an den Kreuzen die Namen der Gefallenen verlesen und die Schützen und Marketenderinnen legten Gedächtnissteine nieder, die sie aus ihren Heimatgemeinden mitgebracht haben. (Bericht: BG online)

SK Kaltern:                                                                                                                               KalternFeier im Zeichen der Versöhnung: Respekt den Alpini aus Gareit, auch sie beteiligten sich aktiv an der Gedenkfeier am Pana Rotta.

 

 

 

Hier die Rede des Burggräfler Bezirksmajors Andreas Leiter Reber in Folgaria/Vielgereuth im Wortlaut:

Hohe Geistlichkeit!

Ansonsten und darüber freue ich mich fast noch ein bissl mehr, sind wir Tiroler heute unter uns, und zwar alle Tiroler, und nach den doch langen Vorbereitungen zu diesem gemeinsamen Projekt, freue ich mich ganz besonders gemeinsam mit euch, liebe Tiroler Landsleute, hier an unsere Gefallenen gedenken zu dürfen. Ganz ohne Frage, steht heute das Gedenken an unsere Tiroler Standschützen im Vordergrund. Aber bei all unserem Tirolbewusstsein, das sich gerade heute nicht zwischen einem südlichen und einem nördlichen unterscheiden lassen darf, dürfen wir nicht die Tragweite und die Dimension des ersten Weltkriegs vergessen, der außerhalb des deutschssprachigen Raumes als der „Große Krieg“, „la grande Guerra“ in die Geschichte eingegangen ist. Nach 100 Jahren und in Anbetracht der Opferzahlen, möchte ich den Einsatz unserer Standschützen nicht losgelöst vom Ausmaß dieses Krieges betrachten. Der Erste Weltkrieg hat ganze Landstriche zerstört und verseucht – Städte und Gemeinden wurden bis zur Unkenntlichkeit verwüstet. In diesen ersten, industrialisierten Materialschlachten, in der erstmals Giftgas – und das auch von Österreich-Ungarn, eingesetzt wurde, haben fast 17 Millionen Soldaten den Tod gefunden, weitere 20 Millionen wurden verletzt und blieben für ihre Lebzeit an Körper und Seele gezeichnet. Das Zentrum des Kriegs war zwar im Herzen Europas, doch es waren viele Nationen aus den unterschiedlichsten Teilen der Welt an den Schlachten beteiligt. Der Nationalismus des späten 19. Jhd. der sich sowohl bei den Mittelmächten als auch bei den Verbündeten in der Entente zeigte, gilt bis heute als eines der Grundübel des Ersten Weltkrieges, der sich dann auch im Zweiten Weltkrieg fortsetzte. Heuer im Mai hat Erzherzog Karl von Habsburg Lothringen, bei einer Gedenkfeier in Meran folgendes zu diesem Grundübel gesagt:  „Der Nationalismus hatte beinahe alle Herzen und Hirne verblendet. Weder kulturelle und zivilisatorische Standards, noch religiöser Glaube, noch die Vernunft waren stark genug für eine andere Orientierung der Gewissen. Im Gegenteil: Man glaubte sich sogar sittlich und religiös im Recht. Im Kampf der einen Kultur gegen die andere, triumphierten Überlegenheitsgefühle und extremer nationaler Egoismus über die Empathie.“ Liebe Landsleute, gleich zu Kriegsbeginn, setzte sich eine riesige Propagandamaschinerie in Bewegung, die in nationalistischen Tönen die eigenen Kriegsabsichten heldenhaft verklärte und andererseits die „anderen“ also die Gegner verachtete: Serbien muss Sterbien, Jeder Schuss ein Russ, oder bei uns in Tirol: Tiroler Adler Rot wie Blut, vernichte all die welsche Brut! Für unser Land Tirol, in dem seit Jahrhunderten drei Sprachgruppen beheimatet waren, war dieser Nationalismus geradezu ein Todesurteil, das teilweise von uns Tirolern selbst mitgeschrieben wurde. Die österreich-ungarischen Militärs misstrauten auch den Welschtirolern, die natürlich genauso tapfer im Felde standen, und so wurde die italienischsprachige Tiroler Bevölkerung in großen Abschnitten nach Böhmen ausgesiedelt! Auch diesen Teil der Geschichte wollen wir heute hier in Folgaria nicht vergessen! Dieser Nationalismus war für unser Vaterland Österreich-Ungarn, und eben auch für uns Tiroler, mehr als unverständlich. Wenn wir das Kronland Tirol betrachten, so kämpften seit Beginn des Krieges deutsch- italienisch- und ladinischsprachige Tiroler, vor allem in den Kaiserjägerregimentern für das Haus Habsburg.  Geradezu paradox und widersprüchlich wird dieser Nationalismus dann, wenn wir über Tirol hinausschauen: Österreich-Ungarn war ja bekanntlich ein Vielvölkerstaat und so kämpften unsere Tiroler Vorfahren Seite an Seite mit Ungarn, Tschechen, Polen, Slowaken, Slowenen, Ukrainern, Kroaten, Bosniaken und Ruthenen. Hinzu kamen dann noch die Österreich-Ungarischen Verbündeten: Allen voran das Deutsche Kaiserreich. Wo neben den Deutschen, auch die nationalen Minderheiten, wie Polen, Kaschuben, Sorben, Dänen und fast gleichviel französische Muttersprachler wie es damals Tiroler gab, kämpften. Weitere Verbündete waren Bulgarien und das osmanische Reich, also die heutige Türkei: Das heißt, unsere Tiroler waren auch Waffenbrüder mit Türken, Syrern, Rumänen, Albanern, Georgiern, Arabern, Griechen, Kurden und Armeniern (A. an denen dann noch während des Krieges ein furchtbarer Völkermord begangen wurde.) Und wenn wir nur die Konfessionen in Österreich-Ungarn betrachten, so kämpften in den Armeen des Kaisers Katholiken, Protestanten, Juden, Muslime und serbisch- und griechisch Orthodoxe, teilweise auch in den selben Regimentern. Einige Staaten, von denen wir Tiroler oft gar nicht wissen, dass sie auch im Ersten Weltkrieg beteiligt gewesen sind, entrichteten einen Blutzoll wie nie zuvor oder danach in ihrer Geschichte. So bedeutete der Erste Weltkrieg, zum Beispiel für Neuseeland erhebliche Entbehrungen und schmerzlichste Verluste. Bei einer damaligen Bevölkerung von ca. 1 Mio befanden sich 100.000 Neuseeländer im Kriegseinsatz in Europa. 18.000 Neuseeländer sind im Krieg gefallen und rund 60.000 wurden verletzt. Teil der Streitkräfte waren auch knapp 3.000 Maori, also Neuseeländische Ureinwohner. Unsere Vorfahren wussten von dem Allen fast nichts.  Sie wussten aber eines, und das unterscheidet den Einsatz unserer Standschützen hier an den Grenzen Tirols, von den allermeisten Kriegsfronten im Ersten Weltkrieg: Unsere Standschützen kämpften für ihr Haus und Hof, für ihre und unsere heutige Heimat, – für Tirol! Diese Tatsache macht natürlich das Leid nicht kleiner oder den Krieg menschlicher, aber wenigstens hatten unsere Standschützen den kleinen und bescheidenen Trost, zu wissen, für wen oder was sie im Felde standen. Wenn wir uns heute den gegenwärtigen Zustand der Welt vor Augen führen: Kriege, terroristische Brutalität und Bürgerkriege an so vielen Orten. Millionen Menschen leiden unter Gewalt und Terror, Millionen sind auf der Flucht. Immer noch werden politische, völkische oder religiöse Überzeugungen instrumentalisiert, um als Rechtfertigung von Gewalt und Mord zu dienen. Immer noch verbreiten Extremismus und Fanatismus Angst und Schrecken. Und wieder wird in einer Region das Völkerrecht missachtet, in anderen Regionen der Welt das Kriegsrecht, oder unverhältnismäßige Gewalt wird in Konflikten eingesetzt. Wir Tiroler sind heute nicht nur im Gedenken hier vereint, wir stehen hier auch als Zeugen des größten politischen, kulturellen und moralischen Erfolgs des alten Europas: Frieden und Versöhnung sind möglich! Aus einem Kontinent fortwährender Feindschaft und immer neuer Kriege ist ein Kontinent des Friedens geworden. Wir sind aber auch Zeugen und lebendiges Beispiel dafür, dass der Erste Weltkrieg bis heute die politische Teilung unseres Landes bestimmt. Wir leben in Frieden und Wohlstand, und, was in meinen Augen unser größter Reichtum ist, wir leben in Demokratie, wir können unsere Meinung frei äußern und wir wählen unsere Volksvertreter selbst. Und vielleicht ist es uns Tirolern noch nicht aufgefallen, aber diese Grundrechte sind dieselben, wie jene in Katalonien und Schottland. Wenn sich zB. die Nordtiroler an der Teilung des Landes stören sollten, oder uns Südtirolern erfundene Ortsnamen, oder gar die Zugehörigkeit zu Italien stören, so ist es unser Recht einen demokratischen Prozess einzuleiten oder gegebenenfalls friedlich dagegen zu protestieren. Tun wir dies nicht, wissen wir entweder die Instrumente der Demokratie nicht zu nutzen oder wir sind zufrieden und wollen sie ganz einfach nicht nutzen. Es liegt also an uns, und nicht am Ausgang des Krieges vor 100 Jahren und es liegt nicht zwingend an Italien oder an Österreich, ob und wie wir Tiroler unsere Gegenwart und unsere Zukunft gestalten. Wenn wir nun im Gebet an unsere gefallenen Standschützen und an unsere bewegte Tiroler Geschichte der letzten 100 Jahre denken, dann sollen wir dies im Bewusstsein tun, dass wir Tiroler gemeinsam eine Verantwortung haben: Wir können nicht gleichgültig bleiben, wenn Menschenrechte missachtet werden, wenn Gewalt angedroht oder ausgeübt wird. Wir müssen aktiv eintreten für Freiheit und Recht, für Aufklärung, für Toleranz, Gerechtigkeit und Humanität.